Die Schweizer Wirtschaft steht vor einer großen Herausforderung, da ab 2020 mehr Arbeitnehmer in den Ruhestand gehen als neu in den Arbeitsmarkt eintreten. Die wirtschaftliche Erholung nach der Covid-19-Krise gekoppelt mit der Alterung der Bevölkerung stellt die Unternehmen bei der Personalrekrutierung auf eine harte Probe. Ende Januar haben der Schweizerische Arbeitgeberverband, der Schweizerische Gewerbeverband und Economiesuisse einen Runden Tisch mit Vertretern verschiedener Kreise ins Leben gerufen, um über konkrete Lösungen zur Bewältigung dieser Herausforderung nachzudenken. Ich wurde eingeladen, an diesem Runden Tisch teilzunehmen, und möchte Ihnen einige Handlungsmöglichkeiten aufzeigen.
Auch wenn diese Problematik für die Unternehmen Schwierigkeiten mit sich bringt, ist ein Personalmangel auch gleichbedeutend mit Wirtschaftswachstum und somit ein Zeichen für den Wohlstand unseres Landes. Es gibt im Übrigen mehrere Lösungsansätze, um die Situation zu verbessern. Zunächst sollte man sich mit einem Bündel von Maßnahmen auf die vorhandenen Arbeitskräfte in der Schweiz konzentrieren.
Dies beginnt unter anderem damit, Menschen im erwerbsfähigen Alter zu ermutigen, in den Arbeitsmarkt einzutreten oder ihre Erwerbsquote zu erhöhen. Nehmen wir zum Beispiel Frauen mit Kindern. Wie aus einem Bericht von Ecoplan aus dem Jahr 2023 hervorgeht, würde ein Drittel der erwerbstätigen Frauen ihre Erwerbsquote erhöhen, wenn familienergänzende Betreuungseinrichtungen erschwinglicher wären. Was die nicht erwerbstätigen Frauen betrifft, so verweist fast die Hälfte von ihnen auf den Mangel an Arbeitsplätzen mit familienfreundlichen Arbeitsbedingungen. Eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf, z. B. mit flexiblen Arbeitszeiten, Möglichkeiten zur Telearbeit oder Teilzeitstellen, ist daher einer der Schlüssel für eine bessere Integration von Frauen in den Arbeitsmarkt. Langfristig könnte auch eine Überprüfung der Höhe des Abzugs von Fremdbetreuungskosten in Betracht gezogen werden oder diese Kosten steuerlich als Berufsauslagen betrachtet werden.
Neben Frauen sollten auch ältere Menschen, die dies wünschen, ermutigt werden, länger auf dem Arbeitsmarkt zu bleiben, z. B. durch Teilzeitarbeit bei gleichzeitigem Bezug eines Teils ihrer Rente, was mit dem Inkrafttreten der AHV-Reform 21 am 1. Januar 2024 neu ist.
Die Flexibilisierung des Ruhestands muss individuelle Antworten ermöglichen, da jeder Fall anders ist. Es muss eine Lösung in einer Win-Win-Perspektive zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer gefunden werden. Die Unternehmen müssen nun auf ihre Möglichkeiten aufmerksam gemacht werden und diese in ihr Personalmanagement einbeziehen.
Gleichzeitig gibt es negative Beschäftigungsanreize bei steigendem Einkommen, wie z. B. die höheren Steuern für Ehepaare, die nicht zur Wiederaufnahme oder Ausweitung der Erwerbstätigkeit ermutigen. Die Individualbesteuerung, deren Botschaft der Bundesrat am 21. Februar 2024 verabschiedet hat, könnte ein Element der Antwort sein, ebenso wie die Einführung eines Steuerabzugs für Personen, die ihr Arbeitspensum erhöhen würden, was Gegenstand einer im Ständerat eingereichten Motion ist.
Es gibt noch weitere Ansatzpunkte, wie die Digitalisierung, die einen Produktivitätsgewinn ermöglichen soll, und die Ausbildung, die besser auf die Bedürfnisse der Unternehmen abgestimmt werden muss. Die Weiterbildung, um die Beschäftigungsfähigkeit des Personals zu gewährleisten, oder Maßnahmen zur beruflichen Umschulung müssen stärker gefördert und unterstützt werden. Heutzutage wählt man einen Beruf nicht mehr für das ganze Leben und viele Berufe werden verschwinden, während andere neu entstehen werden, weshalb es notwendig ist, sich an die Entwicklungen anpassen zu können.
Der Generationenwechsel würde eine Geburtenrate von 2,1 Kindern erfordern, während die Geburtenrate in der Schweiz derzeit bei 1,4 Kindern liegt. Es scheint daher offensichtlich, dass eine bessere Integration der einheimischen Arbeitskräfte parallel durch eine gezielte Zuwanderung aus den Ländern der Europäischen Union (EU) sowie aus Drittstaaten ergänzt werden muss.
Dazu muss die Schweiz so schnell wie möglich zu stabilisierten und dauerhaften Beziehungen mit ihrem wichtigsten Partner, der EU, zurückkehren. Die Ankündigung des Bundesrates bezüglich eines Entwurfs für ein Verhandlungsmandat ist daher eine gute Nachricht, um wieder enge Beziehungen zur EU aufzubauen.
Die Ankündigung des Bundesrates über den Entwurf eines Verhandlungsmandats ist daher eine gute Nachricht, um wieder enge Beziehungen mit der EU aufzubauen. Das Abkommen über die Personenfreizügigkeit beispielsweise bleibt in diesem Kontext des Arbeitskräftemangels unverzichtbar.
Was die Kontingente für qualifizierte Arbeitskräfte aus Drittstaaten betrifft, so können 8'500 Personen mit spezifischen Fähigkeiten eingestellt werden. Die Kontingente könnten angepasst werden, aber vor allem müssen die Entscheidungen schneller getroffen werden. Denn administrative Erleichterungen und eine Beschleunigung der Bewilligungsverfahren sind unerlässlich, um die Unternehmen zu entlasten und ihnen die Möglichkeit zu geben, rasch Lösungen zu finden.
Zudem hat sich der Bundesrat im Oktober 2023 für eine Lockerung der Gesetzgebung ausgesprochen, um die Anstellung von Studierenden aus Drittstaaten, die ihr Studium in der Schweiz absolviert haben, zu ermöglichen. Es sind nämlich 1'700 Studierende, die die Schweiz jedes Jahr mit einem Masterabschluss verlassen. Bereits 2017 wurde im Nationalrat eine Motion in diesem Sinne eingereicht.
Schließlich sollten Personen mit S-Status auch leichter arbeiten können, damit sie finanziell unabhängiger sind. Diese Personen verfügen nämlich über eine gute Ausbildung, vor allem im tertiären Sektor. Der Nationalrat hat sich im Dezember 2023 positiv zu diesem Thema geäußert. Der Bundesrat seinerseits hat sich das ehrgeizige Ziel gesetzt, dass 40 % dieser Personen bis Ende 2024 eine Arbeit gefunden haben sollen.
Der Personalmangel hat sehr starke Auswirkungen auf die Schweizer Wirtschaft und ihre Unternehmen, aber es gibt eine Reihe von Lösungen. Die verschiedenen aufgeführten Maßnahmen zeigen dies. Es wurden bereits mehrere politische Hebel in Bewegung gesetzt, um zu versuchen, die Zahl der Arbeitskräfte in unserem Land zu erhöhen, und es versteht sich von selbst, dass noch weitere hinzukommen werden.